Unsere erfolgreiche Interview-Reihe führen wir heute fort mit einem Interview mit Sascha Schafbuch, Head of Online Marketing bei Westwing Group GmbH.
Du gehörst in Deutschland zu den erfahrensten Affiliate-Managern und hast als Inhouse-Experte bereits die Partnerprogramme von Mydays, SportScheck und Westwing betreut. Was hat Dich zu Beginn überhaupt in die Affiliate-Branche verschlagen?
Mein Einstieg liegt heute erst 7 Jahre zurück, zumindest auf Advertiser-Seite, also noch gar nicht so lange. Der Erlebnisvermittler Mydays in München war Mitte 2008 meine erste Station. Zum Medium Internet bin ich allerdings schon während meines klassischen BWL Studiums gekommen und über die ersten erstellten Nischenseiten dann zu deren Monetarisierung über Adsense oder Amazon, das dürfte so um das Jahr 2005 gewesen sein. Organischen Suchmaschinen-Traffic gab es damals reichlich und auch das ein oder andere SEA Arbitrage-Modell war noch möglich, also die direkte Weiterleitung aus bezahlten Suchanzeigen in einen Advertiser Webshop. Irgendwann fand ich es äußerst spannend, dieses Hobby zum Beruf zu machen, bewarb mich bei Mydays und war fortan als Advertiser und Publisher unterwegs.
Was war für Dich der größte Unterschied von Deinem letzten Wechsel von SportScheck, als langjähriges Sport-Unternehmen, zu Westwing als Startup von Rocket Internet?
Schon der Wechsel vom eher kleineren Startup Mydays zu SportScheck und der Otto Group war ziemlich lehrreich. Bei SportScheck ging es um die Vermarktung von physischen Produkten und man musste sich mit einer umfangreichen Produktvielfalt, -verfügbarkeiten, -margen und der Konkurrenzsituation im Fashionmarkt befassen. Westwing hat mit 1.600 Mitarbeitern zwar fast dieselbe Größe, ist aber Startup-Charakter pur. Der stationäre Markt für Home&Living ist immens groß und bewegt sich rapide in Richtung Online. Entsprechend schnell und vor allem datengetrieben treffen wir Entscheidungen und setzen diese in die Praxis um, damit wir uns langfristig einen relevanten Anteil am Markt sichern können.
Für jemand, der wie ich von einem klassischen Onlineshop kam, war jedoch das Businessmodell die größte Umstellung. Westwing ist ein geschlossener Shopping Club, wie beispielsweise Groupon, Amazon BuyVIP oder Vente Privee. Der Unterschied in der Vermarktung seitens unserer Publisher liegt im Fokus auf das neue Mitglied, also den Lead, und erst im zweiten Schritt auf den Abverkauf bzw. Sale. Außerdem arbeitet Westwing im Gegensatz zu SportScheck in 15 Ländern, u.a. in Russland und Brasilien. In beiden Ländern ist die Sprachbarriere recht ausgeprägt und sowohl das brasilianische Steuer als auch das russische Vertragsrecht sind ziemlich kompliziert. Ohne Unterstützung durch unsere Kollegen in Sao Paolo und Moskau kämen wir bei weitem nicht so schnell voran.
Du bist bereits seit 2008 als Affiliate-Manager tätig. Wie hat sich die Affiliate-Branche in den letzten 7 Jahren verändert?
Sie ist in jedem Fall Technologie getriebener geworden, der Einzelkämpfer mit zahlreichen Contentprojekten ist in der Umsatzliste der Top-Publisher selten geworden und damit wurde es für Advertiser nicht einfacher, jedes Geschäftsmodell sofort zu erfassen. Über die Jahre sehe ich den Übergang in den generierten Provisionen von den Content- über die Display-Publisher (Retargeting und Postview) zu den Gutschein- bzw. Loyaltymodellen. Diese Entwicklung würde ich nicht isoliert dem Affiliate-Kanal zuschreiben. Seit 2008 hat sich selbst bei kleinen Advertisern viel getan. Ich kenne keinen Advertiser mehr, der seinen Publishern uneingeschränkt SEA erlaubt oder nicht selbst versucht, alle rentablen Keywords abzudecken. Damit fällt für einen Content-Publisher eine große Trafficquelle weg. Ähnlich ist die Entwicklung beim organischen Suchmaschinentraffic, nur wurden hier die umfangreicheren Advertisermöglichkeiten noch durch Googles Pinguin und vor allem Panda Algorithmus-Update verstärkt. Natürlich hat aber auch die klare Professionalisierung der über viele Jahre aktiven und heute etablierten Display-, Gutschein- und Loyalty-Publisher immens zu deren Wachstum beigetragen.
Welchen Mehrwert bieten für Dich als Inhouse-Affiliate-Manager Public Networks oder arbeitest Du lieber mit Private Networks zusammen?
Den größten Mehrwert liefern mir die Public Networks in der mehr oder weniger vorhandenen Transparenz, d.h. ich weiß in der Regel, in welchen Umfeldern meine Marke platziert wird. Andererseits generiert Westwing den mit Abstand größten Umsatz über direkte Partnerschaften. Die Public Networks haben bei uns nur einen kleinen Anteil an den ausgeschütteten Provisionen. Hintergrund sind vor allem unsere beschränkten Teamressourcen und einfachere Skalierungsmöglichkeiten. Mit unseren Direct Partnern sind wir laufend in Kontakt, erhalten deren Feedback und können teilweise innerhalb eines Tages auf Trafficschwankungen reagieren. Der historische Vorteil der Public Networks, dass sie auf eine große Publisherbasis zurückgreifen können, ist nichts wert, wenn man sie nicht aktivieren kann. Ein verlässliches Tracking stellen heute ebenfalls die meisten Advertiser und großen Publisher zur Verfügung.
Vor einigen Jahren hast Du auf der Affiliate TactixX einen Vortrag zum Thema „Gutscheine in der Customer Journey“ präsentiert. Welchen Wertbeitrag bieten Gutscheine Deiner Meinung nach?
Der Wertbeitrag eines Gutscheins kann aus meiner Sicht nicht pauschalisiert werden, sondern ist von Branche und Unternehmensstrategie abhängig. Entsprechend setzen viele Advertiser heute auch auf unterschiedliche Gutscheine, z.B. für Neu-/Bestandskunden, kostenlosen Versand, bestimmte Produktgruppen oder gekoppelt an gewisse Mindestbestellwerte. Ich glaube fest daran, dass der Gutschein einer der stärksten Trigger im Kaufentscheidungsprozess sein kann. Als sinnvoll eingesetztes Marketinginstrument vereint er Anbieter- und Kundenziele. Dazu reicht ein kurzer Blick in die ständig wachsende Anzahl nach Gutschein-Suchanfragen bei Google & Co oder man schaut in seiner Verkaufsstatistik nach dem Anteil von rabattierten Artikeln. In meinem TactixX Vortrag ging es darum, wie man durch die Verknüpfung von Offsite- und Onsite-Verhaltensdaten transparent nachweisen kann, wie hoch die Anzahl inkrementeller Sales über Gutscheine tatsächlich ist. An der substanzlosen Diskussion, dass Gutscheinpublisher Provisionen abziehen würden, wollte ich mich nicht beteiligen. Wenn ich mir heute allerdings die gängigen Gutscheinportale ansehe, kommen mir Zweifel, ob alle Advertiser diese Daten auswerten.
Du beschäftigst Dich ja allgemein viel mit der Auswertung der Customer-Journey-Daten. Welchen Einfluss werden diese zukünftig für das Affiliate-Marketing haben?
Hier muss man unterscheiden in „Vergütung anhand der Customer Journey“ und „Steuerung anhand der Customer Journey“. Vor ein paar Jahren war ich überzeugt, dass die Affiliate-Vergütung anhand der Customer Journey der nächste sinnvolle Schritt für die Branche wäre. Das hat sich inzwischen gewandelt. Dafür ausschlaggebend waren zwei Kriterien. Erstens planen Advertiser in Budgets. Nur weil die Vergütungsgrundlage sich ändert, werden keine höheren Budgets in den Affiliatekanal geschoben. Dazu müsste die Effizienz erkennbar gesteigert werden. Der größte Hebel für die Effizienz liegt aber im eigenen Publisherportfolio und hier kommt die Steuerung anhand der Customer Journey ins Spiel. Wenn man beispielsweise erkennt, dass sich kaum Content-Publisher im Portfolio befinden, die eine initiierende Wirkung auf den Kaufentscheidungsprozess haben, kann man testweise im direkten Kontakt leicht eine Vergütungsform (z.B. WKZ, TKP oder CPC) finden, die mehr Reichweite verspricht. Das ist allerdings eine strategische Abwägung unter allen Online-Marketing Kanälen, d.h. wenn Facebook Ads mehr Bestellungen zu denselben Kosten initiieren kann, muss man in der Affiliatesteuerung eben noch effizienter werden. Das zweite Kriterium gegen die Vergütung anhand der Customer Journey ist ganz einfach die transparente Darstellung der Provision in Realtime. Bisher kenne ich das nur vom Nischen-Affiliatenetzwerk zoobax. Ich glaube nicht, dass sich publisherseitig eine Kampagne effizient skalieren lässt, bei der man nicht sicher sein kann, ob und in welcher Höhe die erzielten Provisionen nachträglich nach unten korrigiert werden.
Welche Publisher-Modelle liefern aus Deiner Erfahrung die meisten inkrementellen Sales im Affiliate-Marketing?
Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Die Frage ist doch, wie viele inkrementelle Sales das Unternehmen über alle Kanäle hinweg durch die Maßnahmen im Affiliate Marketing generieren konnte. Startet man beispielsweise mit einem neuen Display-Publisher und generiert in der kommenden Woche mehr Sales über die bezahlten Adwords Brand-Anzeigen, würde ich durchaus einen Teil dieser inkrementellen SEA-Sales dem Affiliate-Kanal zuschreiben. Umgekehrt muss auch bei einem neuen Gutschein ein großer Teil der Sales den anderen Online Marketing Kanälen zugeordnet werden. Bei reiner Last-Cookie-Wins-Betrachtung wäre dieser Fakt schwer nachweisbar.
Auf welche häufigen Fehler muss man sich in der Betreuung eines Partnerprogramms einstellen und wie kann man diese vermeiden?
Diese Frage könnten unsere Publisher vermutlich besser beantworten. Eines meiner Learnings aus der Vergangenheit ist, dass bei einem Publisher, der plötzlich einen signifikantes Saleswachstum ausweist, höchstwahrscheinlich etwas nicht ganz mit rechten Dingen zugeht. Das Setup eines Partnerprogramms sollte immer so sein, dass man möglichst viele Sales transparent bestimmten Publishermaßnahmen zuordnen kann. Dieses Monitoring erfordert entsprechende personelle Ressourcen, vor allem, wenn man den Affiliate-Kanal skalieren möchte. Falls man diese Ressourcen nicht zur Verfügung hat, macht eine Konsolidierungsstrategie und die Skalierung anderer Kanäle vielleicht mehr Sinn.
Welche Insights und Tipps kannst Du Affiliate-Managern geben?
Kennt eure Top-Publisher, verhandelt Ziele und verabschiedet euch von der rein performanceabhängigen CPO- oder CPL-Vergütung. Den CFO interessiert nur beschränkt, durch welches Vergütungsmodell ein Rechnungsbetrag zu Stande kam. Am Ende zählt nur der Return on Invest, unabhängig von der Vergütungsform.
Welche Trends siehst Du in den nächsten Jahren auf die Affiliate-Branche zukommen und worauf sollte man sich vorbereiten?
Affiliate-Trends sind auch generelle Online-Marketing Trends. Der Kunde unterscheidet nicht zwischen Kanälen. Als Advertiser sollte man sich darauf vorbereiten, dass Mobile als Vertriebskanal sehr schnell an Bedeutung gewinnen wird und innovative Publisher-Geschäftsmodelle wie z.B. Apps, Loyalty-Modelle oder Mobile Payment mit sich bringen wird. In den vergangenen Monaten schien die Branche sich stark auf den Abschluss im Kaufentscheidungsprozess zu fokussieren. Reaktivierung (primär von Warenkorbabbrechern) ist das Buzzword und Retargeting über Display Ads, Emails oder noch auf der Shopseite mittels Layern oder Pop-Ups scheint der Lösungsansatz zu sein. Aus meiner Sicht können eigene CRM-Systeme dafür deutlich segmentierter, effizienter und für den potentiellen Kunden weniger aufdringlich eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu finde ich vereinzelte Publisheransätze, um mit umfangreichen Nutzerdaten gezielt statistische Zwillinge zu finden und Neukunden zu akquirieren, deutlich spannender. Vielleicht gelingt es dem einen oder anderen, seine Nische zwischen Facebook und Google zu finden.
Was war Deine aufregendste Affiliate-Geschichte, die Du erlebt hast?
Die aufregendsten sind leider nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die dümmste Geschichte liegt lange zurück und war sicherlich mit mehreren Postview-Publishern gleichzeitig zusammen zu arbeiten. Einer dieser Publisher hatte einen Fehler im Kampagnensetup. Er rief ganz einfach ohne Trackingparameter millionenfach die Shop-Startseite auf, statt der High-Traffic-Landingpage. Aufgrund der fehlenden Trackingparameter wiesen weder Netzwerkstatistiken noch unsere Webanalyse die Ursache dem Affiliate-Kanal zu. Bis nachts hatte ich damals gigabyteweise Serverlogfiles analysiert, um den entsprechenden Publisher zu finden.
Über Sascha Schafbuch
Seit April 2014 leitet Sascha Schafbuch bei Westwing Home & Living den Affiliate Kanal. Der 2011 gegründete Shopping Club ist heute in 15 Ländern präsent, u.a. in Brasilien und Russland.Davor verantwortete der Münchner mehrere Jahre die internationalen Partnerprogramme bei SportScheck und dem Erlebnisvermarkter mydays.
Schon immer betrachtet er Onlinemarketing aus Nutzer- bzw. Affiliate-Sicht und beschäftigt sich mit Trafficgenerierung über die verschiedenen Onlinekanäle. Begonnen hat er etwa im Jahr 2000. Damals war er während eines Praxissemesters für den Content einer Unternehmens-Website verantwortlich. Primäres Ziel war damals eher Markenbildung als Abverkauf. Ende 2003 verschob sich der Fokus in Richtung Online-Nutzerprofilerstellung und mit diesen Erfahrungen kamen die ersten eigenen Webseiten hinzu.
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