Deutsche Online-Unternehmen schätzen ihre wirtschaftliche Lage derzeit noch als positiv ein. Nur 9 Prozent der Unternehmen beschreiben die Situation aktuell als schlecht oder sehr schlecht. Allerdings rechnen auch die meisten Unternehmen damit, dass der konsumbedingte Umsatzeinbruch ab dem vierten Quartal 2022 eintreten könnte. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Performance-Marketing-Agentur xpose360 in Zusammenarbeit mit dem Branchen-Portal AffiliateBLOG.de.
Rund 1,55 Mrd. Euro werden laut dem „German Digital Advertising Latecast 2022“ der Omnicom Media Group Germany dieses Jahr an Werbeausgaben in der Affiliate-Branche ausgegeben. Der vermittelte Umsatz liegt dabei bei ungefähr 18,02 Mrd. Euro. Affiliate-Marketing zählt somit zu den ältesten und nach wie vor relevantesten Disziplinen im Online-Marketing Mix.
Gleichzeitig hat erstmals seit der Nachkriegszeit die Inflation in Deutschland wieder die Marke von 10 Prozent erreicht und schlittert in eine Rezession. Das führt u.a. dazu, dass es bei einigen Digitalunternehmen wie Shopify, Amorelie, Gostudent, Smava, Snap, Patreon oder Urban Sports Club bereits Entlassungswellen gab. Sogar Meta und Google haben Sparmaßnahmen und einen Einstellungsstop für neue Mitarbeitende angekündigt.
Zudem geht das Konsumverhalten angesichts steigender Preise immer weiter zurück. Durch die hohen Energiepreise und schlechte Wirtschaftsprognosen halten die Deutschen ihr Geld derzeit bei sich. Laut GfK war das Konsumklima in der Bundesrepublik noch nie so schlecht. Der prognostizierte GfK-Index für Oktober rutscht auf minus 42,5 Punkte, das waren 5,7 Punkte weniger als für September. Daher kürzen derzeit Unternehmen die Ausgaben v.a. dort, wo es am schnellsten geht, und das sind oftmals die Marketing- und Werbekosten.
Doch was bedeutet diese Entwicklung eigentlich für die Affiliate-Marketing Branche, die doch als reiner Performancekanal am effizientesten Werbebudgets verwalten kann?
Umfrage unter 100 Affiliate-Marketern
Um ein objektives Stimmungsbild der Affiliate-Branche zu erhalten, hat die Performance-Marketing-Agentur xpose360 eine Umfrage unter Advertisern, Affiliates, Agenturen und Netzwerken/Technologien durchgeführt. Über 100 Teilnehmende haben dabei an der Umfrage teilgenommen.
Mehrheit der Branche bewertet die Lage derzeit noch positiv
Die Mehrheit der Befragten sieht die aktuelle Lage für die Affiliate-Branche noch positiv. So schätzen 11 Prozent der Befragten die Lage als sehr gut, 47 Prozent als gut und 33 Prozent als mittelmäßig ein. Nur 9 Prozent sehen die aktuelle Entwicklung als schlecht bzw. sehr schlecht.
Zudem rechnen 48 Prozent für 2022 mit steigenden Umsätzen im Affiliate-Kanal und 26 Prozent mit mindestens gleichhohen Umsätzen wie im vergangenen Jahr.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch im „German Digital Advertising Latecast 2022“ wider, denn auch unter schwierigen Rahmenbedingungen wächst der digitale Werbemarkt weiter. So soll der deutsche Gesamtumsatz in diesem Jahr um 18 Prozent auf 14,76 Mrd. Euro anwachsen.
Allerdings gaben auch 44 Prozent der Befragten an, dass sie in 2022 ihre ambitionierten Affiliate-Umsatzprognosen von Anfang des Jahres nicht erreichen werden. Und nur 30 Prozent gehen davon aus, dass sie ihre Umsatzziele dieses Jahr noch erreichen können.
Negative Umsatzentwicklung ab dem vierten Quartal 2022
Ein Großteil der Umfrage-Teilnehmenden geht davon aus, dass der Umsatzeinbruch in ihrem Affiliate-Programm bereits in Kürze kommen könnte. 29 Prozent gaben an, dass der Umsatzeinbruch bereits erfolgt ist. 13 Prozent gehen davon aus, dass dieser im vierten Quartal 2022 erfolgen wird und 27 Prozent gehen von einem Umsatzeinbruch ab dem ersten Quartal 2023 aus.
Als die größten Probleme für die Umsatzentwicklung sehen 70 Prozent der Befragten v. a. den Einbruch im Konsumverhalten, der natürlich auch direkt Auswirkungen auf die Affiliate-Programme haben wird. 48 Prozent sehen die Inflation und die Rezession als größtes Problem und 41 Prozent die Trackingregulierungen in der Online-Branche.
Auswirkungen auf die Affiliate-Partner
Als direkte Auswirkung der Krise auf die Affiliates sehen 70 Prozent der Befragten eine Reduzierung von WKZ-Budgets für Sonderplatzierungen. Zudem rechnen 33 Prozent damit, dass Advertiser ihre Provisionen reduzieren könnten und 33 Prozent rechnen sogar damit, dass es zu Pausierungen von Affiliate-Programmen kommen könnte. Gleichzeitig rechnen 30 Prozent damit, dass Affiliates aufgrund der Inflation auch ihre Preise für WKZ-Platzierungen und ihre Provisionsvorstellungen erhöhen werden. Die kontroversen Vorstellungen könnten natürlich noch zu Diskussionen zwischen Advertisern und Affiliates führen.
Auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden differenziert betrachtet. 9 Prozent der befragten Unternehmen mussten bereits oder werden in Kürze Mitarbeitende entlassen müssen. 14 Prozent haben einen Einstellungsstop für neue Mitarbeitende und 2 Prozent planen in Kürze Kurzarbeit. Dennoch stellt mit 66 Prozent der Großteil der Befragten auch trotz der Krise weiterhin neue Mitarbeitende ein, was für eine langfristige und nachhaltige Employer-Strategie spricht.
Chancen-Gewinner und -Verlierer der Krise
Wie in vielen Krisen ist es auch im eCommerce und im Affiliate-Marketing so, dass es bedingt durch die Auswirkungen zu Chancen-Gewinnern und Verlierern kommt. Laut der Umfrage werden folgende Branchen als Profiteure der Krise eingeschätzt:
- Finance & Versicherungen (38 Prozent)
- Verträge & Telco (35 Prozent)
- Gesundheit, Apotheke, Ernährung (35 Prozent)
- Gaming & Glücksspiel (33 Prozent)
- Familie & Kind (25 Prozent)
Leider gibt es aktuell auch Branchen, die große Verluste zu verzeichnen haben. Diese sind lt. der Umfrage v. a.:
- Travel (82 Prozent)
- Fashion & Beauty (61 Prozent)
- Home & Living, Sport, Outdoor (55 Prozent)
- Geschenke (50 Prozent)
- Verträge & Telco (25 Prozent)
V. a. bei den „Verlierern“ ist die Hoffnung groß, dass durch ein Abflachen der Krise die Nachfrage wieder steigt. Denn die vergangenen Krisen wie z. B. auch die Corona-Pandemie haben gezeigt, dass mögliche Verlierer danach auch wieder zu den Gewinnern gehören können. Denn nach einer anstrengenden Krisenzeit könnte die Reiselust und das Fernweh wieder enorm steigen und die Reisebranche könnte dann einen Boom erfahren. Ähnlich könnte es auch bei den anderen Branchen aussehen. Leider kann aktuell allerdings noch niemand einschätzen, wie lange dieser Zeitraum dauert.
Affiliate-Marketing als Gewinner der Krise?
Ein großer Vorteil der Affiliate-Branche könnte sein, dass Krisen der Vergangenheit gezeigt haben, dass Advertiser ihre Marketing-Strategie in schwierigen Zeiten verstärkt auf Performance-Marketing-Kanäle gelegt haben, da sie dort messbare Ergebnisse erhalten, mit denen sie den Erfolg ihrer Werbemaßnahmen direkt nachvollziehen können. Zudem kann der Umsatz bei gleichzeitig kontrollierten Kosten abgesichert werden, während oftmals klassische Mediabudgets gekürzt werden. Die Krise im klassischen Werbemarkt zeigt sich bereits jetzt. So hat das Marktforschungsunternehmen Nielsen für September ein deutliches Minus von 10,7 Prozent bei den Brutto-Werbeausgaben gegenüber dem Vorjahr ausgewiesen. V. a. die Werbegattungen Werbesendungen mit einem Minus von 24,2 Prozent, Kino-Werbung mit 46 Prozent und TV-Werbung mit 10,5 Prozent gehören dabei zu den größten Verlierern.
Jesko Perrey, Senior Partner bei McKinsey in Düsseldorf sagte hierzu in einem Interview: „Unternehmen werden noch mehr Maßnahmen ergreifen, die einen klaren ROI haben. Man muss die Quadratur des Kreises schaffen – aus weniger mehr machen“.
Für 61 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden könnte daher das Affiliate-Marketing aufgrund des Performanceansatzes zu den Gewinnern der Rezession werden. 21 Prozent wollen sogar Budgets von anderen Marketing-Kanälen in den Affiliate-Kanal shiften und 10 Prozent wollen sogar zusätzliche Budgets investieren.
Gleichzeitig könnte die steigende Inflation und das reduzierte Konsumverhalten dafür sorgen, dass die Konsument:innen vermehrt nach Rabattaktionen und Gutscheincodes suchen, um den Preis für ihre Einkäufe zu reduzieren. Laut einer aktuellen Umfrage von Initiative Media geben 69 Prozent der Befragten an, für aktuelle Sonderangebote und Rabatte empfänglich zu sein. Mit Affiliate-Marketing können Advertiser mit der richtigen Strategie genau von dieser Entwicklung profitieren und damit sogar ihren Warenkorbwert steigern.
Verbesserung der Situation ab Mitte 2023
32 Prozent der Unternehmen rechnen mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation ab Mitte 2023. 18 Prozent erwarten eine Verbesserung erst ab Ende 2023 und 36 Prozent sogar erst ab 2024. D. h. vor allem der Zeitraum des vierten Quartals 2022 bis zum dritten Quartal 2023 könnte schwierig werden für Online-Händler und bedarf daher einer nachhaltigen Strategie für den Affiliate-Kanal.
Auswirkungen auf die Affiliate-Branche
Sämtliche Umfragen und Prognosen sind in der aktuell dynamischen Entwicklung immer nur Momentaufnahmen. Derzeit kann noch keiner seriös sagen, wie sich die Krise in den nächsten Monaten konkret auf die Werbewirtschaft und das Affiliate-Marketing auswirken wird.
Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Zeitraum Q4 2022 bis Mitte 2023 ggfls. durch eine mögliche Konsumflaute für die Händler und Shopbetreiber schwieriger wird, könnte das Affiliate-Marketing dennoch zu den großen Gewinnern der Werbebranche werden. Denn keine Branche bietet so viele Möglichkeiten mit strategischen Aktionen und Maßnahmen die passende Zielgruppe und eine größere Reichweite zu erreichen, um damit einem Umsatzeinbruch entgegenzuwirken und sogar die Anzahl von Neukunden und Umsatz zu steigern.
Dafür ist bei den Advertisern jetzt auch Kreativität gefragt. Jeder Advertiser sollte sich überlegen, ob es bestimmte Produkte oder Dienstleistungen gibt, die man jetzt in den Fokus stellen kann. Daher sollte sich auch jeder Advertiser fragen, wie er sein Unternehmen jetzt dynamisch weiterentwickelt, um die entsprechenden Zielgruppen zu erreichen. Unterstützen können hierzu sicherlich auch Berater:innen und Agenturen mit Fachexpertise.
Markus Kellermann, Geschäftsführer der xpose360 GmbH, bewertet die derzeitige Entwicklung der Affiliate-Branche wie folgt: „Auch wenn die aktuelle Situation durch Inflation, den Ukraine-Krieg sowie steigende Energie- und Stromkosten für viele Menschen und Unternehmen schwierig ist, so müssen die Advertiser natürlich auch weiterhin wirtschaftlich und zielgerichtet agieren. Man kann davon ausgehen, dass durch eine Rezession und die Konsumflaute auch der Onlinehandel mit Umsatzeinbrüchen rechnen muss. Doch im Vergleich mit dem stationären Handel sollte die Onlinebranche deutlich krisenresistenter sein, da dieser viel weniger Fixkosten hat.
So lassen sich niedrigere Umsätze im E-Commerce durch die variablen Kostenbestandteile besser anpassen. Diese Möglichkeit haben die Stationären nicht. Zudem wird es entscheidend sein, wie sich Online-Händler von ihren Wettbewerbern differenzieren um sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen. Es geht darum, Begehrlichkeiten zu wecken und ein uniques Produkt zu bieten. Speziell im Bereich Affiliate-Marketing beraten wir aktuell unsere Kunden entsprechend der individuellen Situation und den jeweiligen Herausforderungen was die beste Strategie ist und welche Potentiale sie sich aktuell erschließen können, um auch diese Krise zu überstehen.“
Statements aus der Branche:
Ingo Kamps, Münchner Online Rebels GmbH: „Die Krisen der Vergangenheit (z. B. Finanzkrise 2008) haben gezeigt, dass Advertiser ihren Blick in schwierigen Zeiten verstärkt auf Performance-Marketing-Kanäle legen. Nur dort erhalten Sie die messbaren Ergebnisse, mit denen sie den Erfolg ihrer Werbebemühungen nachvollziehen können. Durch Performance-Marketing kann der eigene Umsatz bei gleichzeitig kontrollierten Kosten abgesichert werden. Denn eins ist auch klar: Ein kompletter Stopp aller Werbemaßnahmen ist keine erfolgsversprechende Herangehensweise, um erfolgreich durch stürmische Zeiten zu kommen.“
Nawid Company, Next Level Affiliate Marketing: „Es geht immer mehr um Neukundenakquirierung! Meta als Neukundenkanal wird immer schwieriger und unprofitable. Das ist die große Chance von Affiliate Marketing! Die wir nutzen müssen um als nachhaltiger und inkrementeller Online Marketing Kanal wahrgenommen zu werden der Neukunden generieren kann!“
André Koegler, impact.com & BVDW Fokusgruppe Affiliate: „Eine Inflation oder Rezession betrifft die gesamte Wirtschaft. Die Umsätze werden überall sinken. Dennoch hat Affiliate und Partner Marketing auf Grund seiner Performance basierten Abrechnung die Chance im Vergleich zu anderen Reichweiten als Gewinner aus der Krise zu gehen. Advertiser werden klassische Mediabudgets kürzen, jedoch nicht vollkommen auf Werbung verzichten. Vielleicht sogar ihre Aktivitäten im Partner Marketing ausbauen, um weiterhin Reichweite zu erzielen und das Vertrauen zu den Nutzern zu stärken.“
Stephan Kunze, CBR eCommerce GmbH: „Durch die aktuelle Lage am Markt, der geringeren Kaufkraft der Customer sowie der allgemein eher negativ eingestellten Stimmung in Politik und Medienlandschaft werden einige Teile des Affiliate Marketings arge Probleme bekommen. Es wird sich die Spreu vom Weizen trennen, unrentable Advertiser und Affiliates werden den Markt verlassen und kurzfristig wird u.a. weniger Mediabudget (z.B. WKZ) ausgegeben werden. Wer seine Hausaufgaben bereits in den letzten Jahren gemacht hat, technisch sauber aufgestellt ist und ein faires Vergütungsmodell entwickelt hat, wird tendenziell besser durch die Krise kommen als andere. Es bleibt abzuwarten wann sich die Lage wieder bessert und wer einen langen Atem beweisen kann.“
Andreas Sasnovskis, Webgains GmbH: „Mit steigender Inflation wird sich ändern, wie viel Geld wir zum Ausgeben zur Verfügung haben. Das führt dazu, dass mehr User nach Rabattcodes und Gutscheinen suchen, um den Preis für ihre Einkäufe zu senken. Mit Affiliate Marketing können Advertiser genau davon profitieren und mit der richtigen Strategie wiederum gleichzeitig den Warenkorbwert anheben, denn Portale mit Gutscheincodes und Cashback-Angeboten gehören gerade in dieser Zeit zu den beliebtesten Partnern im Publisher-Mix.“
Petra Semle, CJ: „Wir rechnen mit einer weiteren Zunahme der Umsätze im Luxus-Bereich sowie in Märkte, die weniger stark von der Rezession und Energiekrise betroffen sind. Im allgemeinen sind Programme, die hinsichtlich Publisherverticals und globaler Absatzmärkte breit aufgestellt sind, deutlich resilienter als eindimensionale. Darüber hinaus erwarten wir durch die zunehmende Performanceorientierung der Advertiser in Krisenzeiten eine stärkere Verschiebung der Budgets in Richtung Affiliatemarketing.“
Anmerkung der Redaktion: Die Statements wurden über die Umfrage abgegeben. Gerne können wir weitere Statements noch mit aufnehmen.