Beitrag von Markus Kellermann
Erst hat die Corona-Pandemie das Wachstum im eCommerce in den letzten zwei Jahren sehr stark beschleunigt, jetzt folgt mit dem Ukraine-Krieg der große eCommerce-Kater. Die Ereignisse in Osteuropa haben starke Auswirkungen auf den deutschen Onlinehandel. Lt. dem bevh wurde das zuvor noch starke Umsatzwachstum seit dem Weihnachtsgeschäft, seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine stark gebremst. Doch welche Auswirkungen hat das auf das Affiliate Marketing und wie können Advertiser jetzt reagieren? Hierzu finden Sie in diesem Artikel Gedanken von unserem Chef-Redakteur Markus Kellermann.
Im Januar 2022 waren die Aussichten auf die Entwicklung der Werbebranche in unserem Affiliate Trend-Report 2022 noch sehr positiv. So erwartete damals das ifo-Institut für den Sommer 2022 einen kräften Aufschwung, der die Wachstumsraten für das Gesamtjahr auf 3,7% heben könnte. Auch das Medianetzwerk Zenith rechnete mit einem Wachstum von 9,1%, da digitale Formate stärker als andere wachsen werden. Und auch Magna rechnete mit einem Wachstum von 10% in 2022, angetrieben von digitalen Werbeformaten.
Und auch die Affiliate-Branche blickte sehr optimistisch in das neue Jahr. So rechneten 65% der Advertiser, 68% der Affiliates und 69% der Agenturen/Netzwerke/Technologien mit steigenden Umsätzen für 2022.
Auswirkungen auf die Werbebranche
Dass die Prognosen von gestern heute schon wieder Schall und Rauch sein könnten, zeigt uns eindrucksvoll der Ukraine-Krieg, mit dem in dieser Form Anfang des Jahres noch keiner gerechnet hat. Die Geschäftserwartungen haben sich dadurch in vielen Bereichen merklich reduziert.
So hat sich mittlerweile das Geschäftsklima in der Digitalbranche deutlich eingetrübt. Lt. des Branchenverbands Bitkom, gab der Bitkom-ifo-Digitalindex, der die Stimmungslage in der ITK-Branche widerspiegelt im März 2022 für die aktuelle Geschäftslage um 2,8 auf 39,8 Punkte nach.
Auch die Geschäftserwartungen für die nächsten 6 Monate fielen auf -3,9 Punkte in den negativen Bereich. Im Vergleich zum Vormonat ist das ein Minus von 21,8 Punkten.
Auch die Einschätzung der Geschäftslage und der Geschäftserwartungen ging um 13,1 Punkte zurück auf nun nur noch 16,8 Punkte. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat die bislang vorherrschende Zuversicht für einen wirtschaftlichen Aufschwung umgekehrt. Trotz einer weiterhin guten aktuellen Geschäftslage sind die Erwartungen, lt. des Bitkom-Präsidenten Achim Berg, für die kommenden sechs Monate eher verhalten.
Auswirkungen auf den Handel
Die Gründe für die rückläufigen Geschäftserwartungen sind natürlich u.a. mit den direkten Auswirkungen auf den Handel verbunden. Denn der Konflikt in Osteuropa stellt v.a. die Lieferketten vor neue Herausforderungen, denn die wichtigsten Exportgüter aus der Ukraine und Russland sind Energie, Metall und Grundnahrungsmittel. Die daraus resultierenden Lieferunterbrechungen, logistischen Herausforderungen und Sanktionen führen in vielen Bereichen zu einem Anstieg der Kosten für eine Vielzahl von Rohstoffen und dadurch auch zu einer steigenden Inflation.
Bildquelle: flexport.com
Ein weiteres Problem stellt die physische Unterbrechung der Logistiknetze dar. Viele Frachflugzeuge aus China meiden mittlerweile den Weg durch das Konfliktgebiet. Zudem führt der Konflikt zu höheren Versicherungskosten für Transporte und auch die ukrainischen und russischen Gewässer werden mittlerweile als Risikogebiete für Lieferungen eingestuft. Hinzu kommt das Risiko von Cyberangriffen, die bei Logistikunternehmen ebenfalls große Schäden anrichten.
Steigende Preise und beschleunigte Inflation
Die Auswirkungen auf den Handel haben natürlich einen Dominoeffekt. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) sehen 30% der Firmen aus dem Beschaffungssektor direkte Auswirkungen auf ihren Geschäftsbetrieb. Zudem erwarten 90% der Unternehmen deutlich höhere Einkaufspreise, die den Inflationsdruck weiter erhöhen.
Dies führt dazu, dass 64% der Unternehmen nun auf alternative Beschaffungs- und Absatzmärke ausweichen wollen. Allerdings gaben 15% der Befragten auch an, dass sie kurzfristig nicht in der Lage sind, die Güter woanders einzukaufen.
39% der Unternehmen versuchen derzeit ihre Lagerbestände zu erhöhen, soweit das bei der angespannten Beschaffungssituation überhaupt möglich ist. Zudem versuchen viele Unternehmen auch die Umstellung der Beschaffung weg vom Spot- und hin zum Terminmarkt, was das Risiko von Preissteigerungen zukünftig reduzieren könnte.
Der Konflikt bremst die Online-Kauflust
Wegen der hohen Inflation wollen viele Kund:innen erst einmal sparen. Jeder vierte Deutsche (26%) will deswegen seine Ausgaben für die Ferien reduzieren. Zudem wollen die Deutschen bei der Anschaffung von Möbeln (16%), Besuch von Restaurants (16%), Anschaffung von elektronischen Geräten (12%) und Lebensmitteln (8%) sparen.
Laut einer Pressemitteilung des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh) vom 10. April gingen die Umsätze seit dem Kriegsbeginn bis Ende März massiv um 8,6% zurück. Auch die Wachstumsraten viel auf einen Wert kaum über Vorjahresniveau (plus 0,3%).
Besonders hart litt der Onlinehandel mit Bekleidung und Schuhen. Hier gingen die Umsätze seit dem Kriegsbeginn im Vergleich zum Vorjahr sogar um 8,6% zurück. Auch die Umsätze mit Einrichtungsgegenständen laufen seit dem Kriegsausbruch deutlich schlechter.
Umsatzentwicklung im eCommerce mit Waren nach Segment
(alle Angaben in Mio. Euro, inkl. Ust.)
Auswirkungen auf das Affiliate-Marketing
Aufgrund der Tatsache, dass Affiliate-Marketing als performancebasierter Kanal für die Händler und Onlineshops hinslichtlich der Kosten nach wie vor am Besten kalkulierbar ist, gibt es sicherlich Marketingkanäle, die mehr vom Ukraine-Konflikt betroffen sind als das Affiliate-Marketing.
Generell erleben die Unternehmen aus verschiedenen Branchen die Entwicklung auch unterschiedlich. Es gibt Onlinehändler, die derzeit auch weiterhin wachsen und es gibt Händler, die im zweistelligen Prozentbereich Umsatz abgeben. Es gibt Unternehmen, die Versorger oder Lieferanten von dringend benötigten Gütern sind und deshalb mehr Nachfrage erfahren und welche deren Sortiment für die Kund:innen aktuell kaum relevant erscheint.
Das volle Ausmaß der Verbraucherverunsicherung, aufgrund der Kriegshandlungen mit ihren absehbaren Auswirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung, auf Preise und Versorgung auch in Deutschland, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten mit den Mitteln der Marktforschung detailliert nachzeichnen lassen.
Dennoch verlangsamte sich das Umsatzwachstum nach Kriegsausbruch lt. bevh bei nahezu allen Versendertypen, wenn auch nicht immer im gleichen Maße.
Wie Advertiser jetzt reagieren können
Sollten Advertiser von dem Konflikt direkt oder indirekt betroffen sein, empfiehlt es sich erst einmal Besonnen zu reagieren. Für den Fall von fallenden Margen besteht im Affiliate-Marketing die Möglichkeit die Provisionen zu reduzieren, was immer noch besser ist als ein bestehendes Partnerprogramm aus schnellem Aktionsmus komplett zu pausieren oder zu beenden.
Hierzu ist es wichtig offen und transparent mit den eigenen Affiliates zu kommunizieren. Sollte es nötig sein, dass Provisionen z.B. für einzelne Produkte oder Produktkategorien reduzieren werden müssen, dann sollte man die Situation am besten im persönlichen Gespräch mit seinen Affiliates besprechen. Die meisten Affiliates sind offen für einen Dialog und haben meistens dafür Verständnis, wenn es in Krisensituationen zu Veränderungen kommt die Einfluss auf das Geschäft haben. Wichtig ist dabei gemeinsam nach Lösungen zu suchen und auch die Affiliates regelmäßig auf dem aktuellen Stand zu halten.
Zudem macht es auch Sinn einmal den wahren Wert der vermittelten Affiliate-Kund:innen anhand einer CLV (Customer-Lifetime-Value) Berechnung zu definieren, um damit einen realistischen ROI zu errechnen.
Zudem sollte man seine Werbemittel vor dem Hintergrund der Kriegsberichte analysieren. Lt. einer Studie von Concept-m hat sich gezeigt, dass das Überfluss-Erleben der Konsum- und Werbewelt, die Schuldverstrickung der deutschen Konsument:innen nach verstärken kann. V.a. mit den Bildern des Krieges im Hinterkopf tun sich bei der Werberezeption neue Subtexte auf.
So könnten Werbemittel mit einer übertrieben heilen Welt derzeit ein problematisches Bild abgeben. Auch nichtige Luxus-Probleme, welche Marken sowie ihre Produkte und Services als Lösung für Alltagsprobleme präsentieren, könnten derzeit von Kund:innen eher kontraproduktiv aufgenommen werden. Auch läppisch wirkender Humor könnte im Kontext derzeit suboptimal wirken.
Auch wenn es nicht für jeden Advertiser einfach umzusetzen ist, könnte lt. der Studie Werbung mit einer an der Krise angemessenen Tonalität bei den Verbraucher:innen positiver wahrgenommen werden. So könnten mit der richtigen Werbebotschaft Marken suggerieren, dass sie den Konsument:innen Mut und Kraft vermitteln, gerade in schwierigen Zeiten.
Auch die Tatsache der steigenden Preise für Lebensmittel und weiterer Produktgruppen, kann man derzeit mit Discount- und Spar-Werbung entgegenwirken. Der Tenor könnte sein, dass der Wohlstand auch in schweren Zeiten bei den entsprechenden Marken auf gutem Niveau gehalten werden kann. Wichtig ist dabei, dass keine Ramsch- und Ausverkaufsstimmung aufkommt. Hierzu bedarf es einer zielgerichteten Strategie mit Gutschein- und Deal-Partnern.
Und auch ehrliche, zuverlässige, verantwortungsvolle und tatkräfte Werbeslogans sind derzeit gefragt. Hierzu sollten solidarische und menschliche Werte vermittelt werden. Marken, denen es gelingt sich mit diesen Werten zu verbinden, machen dadurch ein starkes Halt-Angebot.
Foto von Mathias P.R. Reding von Pexels