Berufsblindheit bei der Partnerauswahl? – Interview mit Christine Buckenmaier von Nayoki

Unsere erfolgreiche Interview-Reihe führen wir heute fort mit einem Interview mit Christine Buckenmaier, Geschäftsführerin bei Nayoki.christine-buckenmaier

Wie lange bist Du schon in der Affiliate-Branche und wie bist Du dazu gekommen?

Nach meinem Studium der Europäischen Betriebswirtschaftslehre in Deutschland und Frankreich bin ich über ein Praktikum bei finanzen.de (Inhouse Partnerprogramm) zum Affiliate Marketing gekommen. Als ich ein Jobangebot bei affilinet im internationalen Accountmanagement für Frankreich entdeckte, wusste ich, diese Stelle ist wie für mich gemacht. Nach meiner Bewerbung ging alles recht schnell. 2009 habe ich schließlich bei affilinet in München angefangen und zunächst nur für den französischen Markt gearbeitet. Mit der Zeit kamen weitere Länder dazu. Nach etwa zwei Jahren wechselte ich ins deutsche Team und habe dort die Top Publisher im Bereich Finance & Travel betreut. Seit 2012 bin ich nun bei Nayoki, der damaligen Online Marketing Agentur von arvato Bertelsmann. Bei Nayoki habe ich das komplette Affiliate Marketing strategisch aufgebaut. Seit 2013 betreue ich Programme nur noch aus strategischer Sicht und bin als Geschäftsführerin für die operativen Geschäftsfelder verantwortlich.

Was findest Du am Affiliate Marketing besonders spannend?

Ganz klar: die Vielseitigkeit. Affiliate Marketing ist nicht nur ein Kanal. Das Schöne ist, dass man die verschiedensten Publisher-Modelle sehr einfach testen kann – ohne technisches Setup, ohne einzelne Verträge und sogar ohne Risiko. Alle Bereiche des Online Marketings können in einem Partnerprogramm abgebildet werden und bilden eine Art eigenen Kosmos.

Worauf sollte ein Partnerprogrammbetreiber bei der Auswahl eines Affiliate-Netzwerkes achten und welche Entscheidungskriterien sind dabei wichtig?

Die Auswahl eines Affiliate-Netzwerkes ist eine sehr wichtige, aber auch individuelle Entscheidung und bedarf einer sorgfältigen Analyse und Abwägung aller Pros und Kontras.

Ein Kriterium ist die Prüfung, ob das jeweilige Netzwerk in diesem Bereich bereits andere ähnliche Partnerprogramme anbietet. Wenn es sehr viele konkurrierende Partnerprogramme gibt, spricht es dafür, dass auch die entsprechenden relevanten Affiliates, auch Publisher genannt, in diesem Netzwerk zu finden sind.

Wichtig sind zudem aber auch der Service des Netzwerks, die Erreichbarkeit, die Bedienbarkeit, die Kosten und natürlich der persönliche Kontakt. Im Affiliate muss man sich riechen können.

Was sind die wichtigsten Aufgaben bei der Betreuung eines Partnerprogramms?

Zu den wichtigsten Aufgaben zählen das ständige Monitoring der Performance sowohl hinsichtlich der technischen Aspekte als auch hinsichtlich der Publisher, um Auffälligkeiten frühzeitig zu entdecken und auf den Grund zu gehen. Proaktivität und Nähe zum Markt ist gefragt, um zu wissen, welche Publisher es gibt, und um Potenziale richtig einschätzen zu können. Die Planung von Aktionen auf eigene Initiative sowie auf Anfrage von Publishern ist sehr wichtig, um ein Programm lebendig zu halten.

Die Arbeit an einem Partnerprogramm ist strategischer, aber auch zu einem großen Teil operativer Natur. Die Auswahl der Publisher, der tägliche Check der neuen Bewerbungen, die aktive Suche nach neuen Publishern, die regelmäßige Kommunikation und der Salesabgleich gehören zum Alltag eines jeden Affiliate Managers.

Nicht zuletzt sollte die Technik, die die Basis der Arbeit im Affiliate Marketing ist, nicht unterschätzt werden.

Auf welche häufigen Fehler muss man sich in der Betreuung eines Partnerprogramms einstellen und wie kann man diese vermeiden?

Publisher werden oftmals falsch eingeschätzt. Es kann vorkommen, dass ein Publisher zu schnell abgelehnt wird, weil der Account Manager fälschlicherweise denkt, die Seite würde nicht so gut zu dem Programm passen. Bevor eine Anfrage abgelehnt wird, sollte er sich daher gut informieren und besser noch einmal nachfragen, um einen vorschnellen Schluss zu vermeiden.

Viele Programme haben eine vierstellige Anzahl an Publishern. Hier besteht die Gefahr, dass der zuständige Manager „berufsblind“ wird, die Publisher mit Potenzial nicht erkennt und Publisher im guten bis sehr guten Mittelfeld unbemerkt abstürzen. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, ein sehr feines Monitoring aufzusetzen, v.a. auch mit Blick auf den Vormonat und das Vorjahr.

Es kommt durchaus vor, dass technische Releases die Ein- und Anbindung des Affiliate-Programms beeinflussen. Ein regelmäßiger Trackingtest sowie das Nachverfolgen, ob die Bestellung auch vom System richtig als Teil- oder Vollretoure verarbeitet wird, sind daher unumgänglich.

Fehlerpotenzial liegt auch in der Staffelvergütung bzw. der Auszahlung der Publisher-Boni. Bei vielen Netzwerken erfolgt dies leider noch größtenteils manuell, daher ist es umso wichtiger auch hier einen Prozess einzuführen, um Fehler an dieser Stelle auszuschließen.

Mit welchen Publisher-Modellen arbeitest Du am erfolgreichsten zusammen und gibt es dabei ggfs. Branchenunterschiede?

Das ist ganz unterschiedlich und kommt sehr auf die Branche und den Kunden an. Unser Schwerpunkt liegt auf Fashion, Beauty und Lifestyle Programmen. In diesen Bereichen haben Gutschein- und Cashback-Modelle einen sehr großen Anteil am Umsatz. Viele Kunden haben Vorbehalte gegen diese beiden Modelle. Dank verschiedenster Ansätze und Ideen findet sich aber eigentlich immer ein Weg, diese Modelle für beide Seiten profitabel zu nutzen und nicht komplett auszuschließen. Basis hierfür ist eine offene und transparente Kommunikation sowie Vertrauen.

Zudem haben wir auch sehr gute Erfahrungen mit Performance Display Advertising gemacht. Durch Technologien wie PostView, statisches und dynamisches Retargeting oder neue Ansätze wie die affilinet Performance Ads profitieren unsere Kunden von großen Reichweiten zu einem sehr guten CPO. Dieses Publisher-Modell funktioniert auch branchenübergreifend sehr gut.

Im Bereich Fashion, Beauty und Lifestyle spielen Content-Seiten eine wichtige Rolle. Hier setzen wir auf enge Kooperationen mit individuellen Aktionen und Integrationen. Dieses Publisher-Modell ist umsatzschwächer als die oben genannten, spielt jedoch eine wichtige Rolle für die Markenwahrnehmung und -bildung.

Worauf sollte man in der Zusammenarbeit mit Affiliates achten und wie lassen sich Deiner Meinung nach Affiliates am besten motivieren?

Der Advertiser gibt einen gewissen Rahmen vor, in welchem die Bewerbung seiner Produkte möglich ist. Letztlich sind es die Affiliates, die über den Erfolg oder Misserfolg eines Partnerprogramms entscheiden. Daher ist es in der Zusammenarbeit für uns als Agentur essentiell, zwischen beiden Parteien zu vermittlen. Ehrlichkeit, Transparenz und Erfahrung sind dabei sehr wichtig. Und ein sehr gutes Verhältnis zu den Publishern, so dass auch mal etwas auf dem kleinen Dienstweg erledigt werden kann.

Für die Motivation der Affiliates gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine persönliche Beziehung hilft grundsätzlich immer. Ebenso sollte das Produkt interessant für den Affiliate und wettbewerbsfähig sein. Zudem sind wirklich gute Specials, v.a. exklusive Aktionen, ein gutes Mittel, um die Affiliates bei der Stange zu halten. Regelmäßige Publisher-Events oder kleine und große Gimmicks wirken oftmals wahre Wunder für die Motivation. Zuletzt spielt natürlich die Verdienstmöglichkeit die größte Rolle. Wenn der eCPM stimmt und sich sogar verbessern kann, dann ist die Frage der Motivation schnell geklärt.

Wie kann man ein Partnerprogramm vor Betrug oder Missbrauch im Affiliate Marketing schützen?

Das Thema Betrug oder Missbrauch ist und bleibt ein sehr wichtiges Thema im Affiliate Marketing. Es gab, gibt und wird immer findige Publisher geben, die alle technischen Möglichkeiten ausnutzen, um an Provisionen zu kommen.

Wenn man konsequent an einem Programm arbeitet und ein paar Tools zur Hand hat, bin ich jedoch der Meinung, dass Betrug oder Missbrauch quasi ausgeschlossen werden können.

Die Fraudprevention beginnt bereits bei der Publisher-Freigabe. Alle Publisher werden von uns händisch freigegeben und auch auf einen Anforderungskatalog hin geprüft. Bei diesen Publisher-Themen arbeiten wir programmübergreifend: Meldet sich dieser Publisher bei mehreren Programmen in verschiedenen Netzwerken an? Wir monitoren sehr genau und regelmäßig – vor allem die neuen Publisher. Steigt einer zu den Top-Publishern auf, schauen wir noch genauer hin, analysieren den Traffic, machen einen IP-Check, eine Klick-Auswertung, usw. Gibt es Parallelen oder Auffälligkeiten in anderen Programmen? Wir nutzen hier jegliche Möglichkeiten, die uns die Netzwerke bieten und suchen dann auch bewusst das Gespräch zum Publisher.

Auf der anderen Seite holen wir den Advertiser mit ins Boot. Wir analysieren den Salesabgleich und lassen uns ggf. auch Analysen aus der Datenbank geben, ob es bei Bestellungen Gemeinsamkeiten gibt, wie beispielsweise immer die identische Produktkombination oder dieselbe Rechnungs- oder Lieferadresse,  der Bestellbetrag immer gleich ist oder sonstige Auffälligkeiten.

Welche KPIs sind für die Bewertung eines Partnerprogramms für Dich am wichtigsten und wie kann man damit sein Programm weiter optimieren?

Wichtige KPIs im Affiliate sind die KUR, die Stornoquote, die Conversion Rate, der Umsatz (insbesondere bestätigt netto), die Neukundenquote sowie die Publisher-Performance.

Affiliate Marketing Budgets sind in der Regel nach oben hin nicht begrenzt. Das Budget hängt gewöhnlich mit der KUR oder dem ROI zusammen.

Für die KUR oder den ROI bekommen wir ganz klare Vorgaben vom Kunden. Wenn hier noch Spielraum ist, kann man z.B. über eine höhere Publisher-Provision oder Gutscheinaktionen (z.B. für Neukunden) sehr gut optimieren und die Performance positiv beeinflussen.

Wie hat sich das Affiliate Marketing Deiner Meinung nach in den letzten Jahren verändert und wie sollte man als Advertiser mit dieser Entwicklung aktiv umgehen?

Zum Teil habe ich den Eindruck, dass Affiliate Marketing immer mehr zu einer Experimentierstube wird. Es gibt sehr viele neue Publisher-Modelle und Publisher-Projekte, die auf den Affiliate-Markt drängen und dort ausprobieren, ob sie funktionieren und ob sie sich monetarisieren lassen. Am Anfang bekommt man immer noch recht gute CPO Einbindungen und entwickelt sich dann immer mehr Richtung CPC Modell. Ansonsten hat sich das Affiliate Marketing sehr stark professionalisiert und geht immer mehr Richtung Display. Display hat einen viel stärkeren Einfluss auf das Affiliate Marketing als früher. Stichwort: „Performance Display Ads“.

Als Advertiser sollte man allen Modellen gegenüber aufgeschlossen sein, da das Risiko letztlich in der Regel allein beim Publisher liegt. Affiliate Marketing bietet eine ideale Plattform, um verschiedene Möglichkeiten zu testen. Ich plädiere bei unseren Advertisern für Offenheit gegenüber Neuem, denn Probieren geht über Studieren. Und vielleicht entwickelt sich daraus wirklich die eine oder andere sehr lukrative Partnerschaft.

Welchen Einfluss wird zukünftig das Customer-Journey-Tracking auf den Affiliate-Kanal haben?

Die Customer Journey wird mittlerweile schon seit ein paar Jahren, insbesondere im Affiliate Marketing, heiß diskutiert. Viele gehen davon aus, dass der Affiliate-Kanal in der Customer Journey zurückstecken wird – vor allem die Gutschein-Seiten. Hintergrund ist der Vorwurf, dass viele Kunden noch im Warenkorb kurz vor Kaufabschluss nach einem Gutschein suchen würden und somit dieses Publisher-Modell nach dem Last Click tendenziell zu viel bekommt.

Durch ein Customer-Journey-Tracking bekommen auch Publisher, die weiter vorne im Kaufprozess des Kunden ins Spiel kommen, wie beipielsweise Content-Seiten, eine anteilige Vergütung.

Das Customer-Journey-Tracking wird die Gewichtung der Publisher und auch die Auszahlung und somit Finanzierung der jeweiligen Business-Modelle vollständig umkrempeln. Positiv daran ist, dass es eine bessere Zuordnung der wirklichen Werbeleistung eines jeden Publishers zulässt. Als Gefahr sehe ich, dass viele Advertiser technisch noch nicht in der Lage sind, dieses Tracking kanalübergreifend fehlerfrei einzuführen. Einmal eingeführt wird es sich letztlich zeigen, ob vom aufgeteilten Kuchen alle satt werden und wie es anschließend im Affiliate Marketing weitergeht.

Welche Trends siehst Du in den nächsten Jahren auf die Affiliate-Branche zukommen und worauf sollten sich Programmbetreiber vorbereiten?

Die zwei Top-Themen in dem Bereich sind für mich Mobile und Display. Mobile ist ein Thema, das nicht nur die Affiliate-Branche betrifft. Es ist ganz grundsätzlich eine Aufgabe, für die sich die Shops rüsten müssen und um die sich noch zu wenige gekümmert haben. Wir predigen unseren Advertisern schon lange und regelmäßig, dass ein mobiler Shop mittlerweile unumgänglich ist. Wer auf diesen Zug nicht aufspringt, wird immer mehr Einbußen haben.

Gleichzeitig wird es eine Herausforderung für das Affiliate Marketing, diesen mobilen Traffic entsprechend performance-basiert zu monetarisieren. Es gibt ein paar gute Ansätze von Publishern, aber hier sehe ich noch einiges an Luft nach oben. Hier bedarf es noch ein paar überzeugender Konzepte.

Performance Display, der zweite Trend in meinen Augen, stellt eine schöne Entwicklung für Advertiser dar, weil Display in der Regel nicht auf CPO Basis eingekauft werden kann. Wir haben viele Kunden, die hier sehr strikte Vorgaben haben und für die der klassische Display-Einkauf oftmals zu teuer ist. Wer sich für Display im Affiliate Marketing entscheidet, hat gute Chancen, eine gute Leistung (Sales und Branding) zu einem sehr vernünftigen eTKP zu bekommen.

Auf welchen Blogs, Info-Portalen, Zeitschriften oder Konferenzen bildest Du Dich weiter und informierst Dich über die neuesten Entwicklungen?

 Wir sind auf allen branchenrelevanten Veranstaltungen wie der NetworkxX, TactixX, A4U, DMEXCO oder den Online Marketing Rockstars vertreten. Was Blogs betrifft, so lese ich die Netzwerk News der führenden Affiliate-Netzwerke, die News auf den Affiliate-Portalen der Partnerprogramme sowie den Newsletter der Online Marketing Rockstars. Nicht zu vergessen die klassischen Medien wie die Lead, die Internet World Business, Horizont und W&V.

Über Christine Buckenmaier

Christine Buckenmaier ist Geschäftsführerin bei der Münchner Online Marketing Agentur Nayoki. Die studierte Diplom-Betriebswirtin startete ihre Karriere bei der affilinet GmbH. Dort baute sie zunächst das internationale Account Management für Frankreich auf und engagierte sich für die weitere Internationalisierung des Account Managements. Anschließend war sie als Key Account Managerin für Publisher im Bereich Finanzen und Reise tätig.

2012 wechselte sie zu Nayoki, begann als Key Account Managerin und übernahm rasch die Leitung der Abteilung Operations & Strategy. Seit August 2014 ist sie Geschäftsführerin bei Nayoki und für die operativen Geschäftsfelder verantwortlich.

Nayoki ist eine Agentur für Online Marketing Services. Unsere Experten für Performance Marketing und Datengenerierung beraten seit mehr als zehn Jahren erfolgreich namhafte nationale und internationale Unternehmen vor allem in den Branchen Beauty, Fashion und Lifestyle.

Gegründet wurde Nayoki 2004 von André Soulier und entwickelte sich rasch zu einem der führenden Dienstleister in den Bereichen E-Mail Marketing, Adress- und Leadgenerierung. Zwischen 2008 und 2014 erweiterte die Agentur als Konzerntochter von arvato Bertelsmann ihr Portfolio stetig. Seit Juli 2014 ist Nayoki wieder eigenständig und bietet heute neben den Services im Datenbereich individuelle Lösungen im Performance Marketing, Branding sowie IT-Bereich an.

38 weitere Interviews mit Affiliate-Experten findet Ihr in der neuen Ausgabe des Buches “Affiliate Marketing INSIGHTS 2

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Malte Hannig
Malte Hannig
Malte Hannig ist seit 2014 bei der Digital-Marketing-Agentur xpose360 tätig und Teamleiter im Affiliate Marketing. Als begeisterter Backpacking-Reisender und Schwaben-Sparfuchs verantwortet er die Bereiche Travel & Vertragswesen. Zudem trat er bereits auf mehreren Konferenzen als Speaker auf, wie der Affiliate Conference oder der internationalen Reisemesse ITB Berlin und war Podcast-Gast beim OMT und Affiliate MusixX.
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