Der aktuelle Streit um das „Pay or Consent“-Modell (auch PUR-Abo-Modell genannt) sorgt für heftige Diskussionen in der Medien- und Werbebranche – und könnte auch für das Affiliate-Marketing weitreichende Implikationen haben.
Datenschützer sehen die aktuelle Praxis, Nutzer:innen zwischen personalisierter Werbung und einem werbefreien, kostenpflichtigen Abo wählen zu lassen, kritisch. Sie argumentieren, dass diese Wahl nicht freiwillig im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sei.
Nun prüft der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) eine neue Leitlinie, die eine dritte Option vorschreiben könnte: kostenlose Inhalte ohne personalisierte Werbung. Doch warum kommt diese Diskussion gerade jetzt auf, und was bedeutet das für die Zukunft?
Die Hintergründe: Warum Datenschützer das Modell ändern wollen
Datenschützer bemängeln seit langem, dass Nutzer:innen in vielen Fällen „gezwungen“ werden, personalisierter Werbung zuzustimmen, um kostenlose Inhalte nutzen zu können. Laut DSGVO muss die Zustimmung freiwillig erfolgen – das sei bei der bisherigen „Pay or Consent“-Praxis nicht der Fall. Die Kritik wurde durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Meta im Jahr 2023 befeuert. Meta hatte für Facebook und Instagram ein Modell eingeführt, das Nutzer:innen nur zwei Optionen ließ: entweder personalisierte Werbung oder ein kostenpflichtiges werbefreies Abo. Der EuGH entschied jedoch, dass Tracking und personalisierte Werbung nicht allein auf ein „berechtigtes Interesse“ gestützt werden können.
In Folge dessen forderte der EDSA eine dritte Option: Die Möglichkeit, Inhalte kostenlos zu nutzen, ohne personalisierte Werbung akzeptieren zu müssen. Stattdessen dürften Publisher nur noch kontextbasierte Werbung anzeigen – eine Form der Werbung, die nicht auf Nutzerdaten basiert. Diese Forderung hat erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Werbebranche, da sie etablierte Geschäftsmodelle infrage stellt.
Die Position der Branche: Ein zu weitgehender Eingriff?
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) kritisiert die Vorstöße der Datenschützer scharf. „Die Leitlinien des EDSA überschreiten eindeutig ihre Zuständigkeiten“, sagt Philipp Hagen, Director Legal Affairs & Data Privacy beim BVDW. Er warnt davor, dass eine verpflichtende dritte Option nicht nur datenintensive Plattformen wie Meta, sondern auch unabhängige Publisher und Werbetreibende massiv beeinträchtigen würde.
Auch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) sieht eine solche Regelung skeptisch. Sie könne eine „ökonomische Katastrophe“ für digitale Inhalteanbieter bedeuten. Für kleinere Publisher und spezialisierte Werbegattungen wie Affiliate-Marketing sei es existenziell, flexibel auf verschiedene Geschäftsmodelle setzen zu können. „Eine Verpflichtung für alle digitalen Dienste, ihre Inhalte ohne personalisierte Werbung kostenlos anzubieten, wäre fatal“, so Bernd Nauen, Hauptgeschäftsführer des ZAW.
Affiliate-Marketing: Eine datensparsame Alternative
Im Gegensatz zu datenintensiven Werbemodellen wie personalisierter Werbung funktioniert Affiliate-Marketing von Natur aus datensparsam. Hier genügt ein einfaches Opt-in der Nutzer:innen, um Transaktionen wie Käufe oder Leads zu messen. Persönliche Daten wie Interessen oder demografische Merkmale sind für Affiliate-Kampagnen irrelevant.
Warum Affiliate-Marketing besonders datenschutzfreundlich ist:
- Kein Bedarf an personenbezogenen Daten: Die Performance-Messung erfolgt auf Basis anonymisierter Tracking-Mechanismen. Es werden keine Nutzerprofile erstellt.
- Hohe Flexibilität bei neuen Regeln: Da Affiliate-Marketing unabhängig von personalisierten Daten funktioniert, ist es vergleichsweise unempfindlich gegenüber strengeren Datenschutzvorgaben.
- Datensparsamkeit als Wettbewerbsvorteil: Diese Eigenschaft macht Affiliate-Marketing zu einer zukunftsfähigen Werbeform, die den Anforderungen der DSGVO gerecht wird.
Herausforderungen für Affiliate-Marketing durch die neuen Regeln
Obwohl Affiliate-Marketing weniger datenintensiv ist, könnten die Änderungen im Rahmen des „Pay or Consent“-Streits auch hier Auswirkungen haben. Insbesondere eine generelle Einschränkung von Werbemöglichkeiten könnte die Branche indirekt betreffen.
1. Weniger Zustimmung zu Werbung allgemein
Sollte die Zustimmung zu Werbung durch die neue Leitlinie erschwert werden, könnten Publisher ihre Werbeeinnahmen nicht mehr wie gewohnt erzielen. Dies könnte auch die Bereitschaft der Publisher verringern, Affiliate-Partnerschaften einzugehen.
2. Einschränkungen beim Tracking
Auch datensparsame Tracking-Methoden wie First-Party-Cookies könnten durch die neuen Regelungen weiter limitiert werden. Affiliates müssten dann auf noch innovativere Technologien wie serverseitiges Tracking setzen.
3. Abhängigkeit von großen Plattformen
Sollte kontextbasierte Werbung die einzige zulässige Form werden, könnten Werbebudgets verstärkt zu großen Plattformen wie Google oder Meta abwandern, die diese Art der Werbung effizient umsetzen können. Kleinere Anbieter hätten es schwerer, in diesem Umfeld konkurrenzfähig zu bleiben.
Chancen für Affiliate-Marketing im neuen Umfeld
Trotz der Herausforderungen könnte Affiliate-Marketing von den Entwicklungen profitieren. Seine datensparsame Natur und die Unabhängigkeit von personalisierten Nutzerprofilen machen es zu einer vielversprechenden Alternative für Publisher und Advertiser.
1. Vertrauen der Nutzer:innen stärken
Affiliate-Marketing kann sich als Vorreiter in Sachen Datenschutz positionieren. Dies könnte das Vertrauen der Nutzer:innen erhöhen und langfristig neue Zielgruppen erschließen.
2. Fokus auf alternative Modelle
Die Umstellung auf kontextbasierte oder hybride Werbemodelle könnte Affiliate-Programme stärken, da sie auch ohne Nutzerdaten effektiv arbeiten.
3. Innovationspotenzial nutzen
Die aktuellen Entwicklungen bieten die Chance, neue datenschutzkonforme Technologien zu entwickeln und die Branche weiterzuentwickeln. Dies könnte Affiliate-Marketing zu einer noch nachhaltigeren und effizienteren Werbeform machen.
Fazit: Affiliate-Marketing bleibt zukunftssicher
Der „Pay or Consent“-Streit verdeutlicht, wie stark sich das digitale Werbeumfeld verändern könnte. Doch für das Affiliate-Marketing könnten die Entwicklungen auch eine Gelegenheit sein, seine Stärken auszuspielen. Datensparsamkeit, Effizienz und Flexibilität machen diese Werbeform besonders widerstandsfähig gegenüber neuen Datenschutzvorgaben.
Indem die Branche auf innovative Lösungen und datenschutzfreundliche Strategien setzt, kann sie nicht nur die aktuellen Herausforderungen meistern, sondern auch neue Chancen erschließen. In einer Zeit, in der Datenschutz immer wichtiger wird, könnte Affiliate-Marketing als Beispiel für nachhaltige und effektive Werbung dienen – und langfristig eine führende Rolle im digitalen Werbemarkt einnehmen.