Schlimme Krise im Affiliate-Marketing

Wenige Tage vor Weihnachten hatte ich in meinem Artikel „Quo Vadis Affiliate Marketing 2014“ über die letzten Entwicklungen im Affiliate-Marketing berichtet.

Ich selbst wurde in der Vergangenheit immer wieder gerügt und belächelt, wenn ich über die Stagnation und Veränderungen im Affiliate-Markt gesprochen habe.

Doch nun scheinen die schlimmsten Szenarien Realität zu werden. Innerhalb von nur einer Woche gab es gleich drei schlimme Entwicklungen zu vermelden.

Es begann am 09.01. mit der Meldung, dass mit Weltbild ein weiterer Groß-Versandhändler Insolvenz angemeldet hat. Bereits in den vergangenen Jahren hatten sich mit Neckermann, Quelle, Schlecker und weiteren Versandhändler bereits einige eCommerce-Riesen damit auch aus dem Affiliate-Marketing verabschiedet.

Weiter ging es dann am 10.01. mit der Meldung, dass das Affiliate-Netzwerk Tradedoubler 20% ihrer Belegschaft in Deutschland entlassen hat. Laut ersten Meldungen zufolge sollte es nur Mitarbeiter aus den Abteilungen Lead- und Displaykampagnen betreffen, doch Insider-Informationen haben ergeben, dass es auch Mitarbeiter aus dem Publisher-Team und anderen Abteilungen getroffen hat.

Heute wurde nun die Meldung veröffentlicht, dass auch Zanox, als eines der größten Netzwerke in Deutschland und Europa ebenfalls Mitarbeiter am Hauptsitz in Berlin entlässt.

Welche Folgen haben nun diese dramatischen Entwicklungen der letzten Wochen für die Affiliate-Branche an sich und worauf basiert diese Negativ-Entwicklung.

Bereits wenige Stunden nach den Horror-Meldungen kursierten die ersten Statements, woran es liegen könnte im Internet. Hierzu möchten wir einige Experten aus dem aktuellen Facebook-Posting zitieren:

Ingo Kamps, Cayada:
Zumindest hat es die Branche nicht geschafft, sich glaubhaft von den Verbrechern zu distanzieren. Die sind fast alle noch da. Zu dem Thema gab es lediglich wiederkehrende Lippenbekenntnisse.

Axel Ratzer, Adbox24:
Affiliate Marketing muss sich m.E. neu erfinden. In einigen Kundenprojekten hatten wir uns auch gegen das Affiliate Marketing entschieden. Unterm Strich hat der Kanal nur Kosten generiert, aber kaum Mehrwert für den Kunden gebracht. Abgreifen von Gutscheinen über die Suchmaschinen war Tagesordnung. Komplizierte Cookie Weichen müssten integriert werden, um Herr der Lage zu werden. Denke die großen Programme und Affiliates bleiben bestehen. Aber für kleine Projekte bzw. Marken ist der Kanal aktuell kaum nutzbar.

Andreas Hüsch, One Advertising AG:
Das Zanox Leute entlassen musst, ist dramatisch, da ich dort sehr viele nette Menschen kennengelernt habe. Aber ich sehe das Neztwerk auch sehr kritisch. Der Marketplace hat es bislang in 2 Jahren geschafft einigermaßen fehlerfrei zu laufen. Das Tracking funktioniert, aber Analysemöglichkeiten bleiben doch eingeschränkt. Immerhin ist bei denen eine Entwicklung irgendwie zu sehen. Bei Affili.net hat man es ganz anders gemacht. Neu angemalt, ein neuer Slogan und Hurra. Das reicht aus meiner Sicht dauerhaft aber auch nicht.

Christian Loeb:
Wir haben von 2003 bis ca. 2006 super mit TD gearbeitet. Leider haben die Plattformen nicht begriffen das wir im Bereich Marktforschung einige Qualitätsstandards haben und wir Leads von „Kohle-scheffeln-mt-umfragen.de“ nicht gebrauchen können.

Martin Dorst, Dorst eMarketing GmbH:
Wirklich eine spannende Entwicklung. Die Branche muss sich endlich weiterentwickeln, davon ist seit Jahren nix nachhaltiges zu spüren. Mit ein bisschen Frontend aufhübschen ist es halt nicht getan.

Alexander Hornung:
Trend? Der Affiliate-Kanal verliert grad Umsatz, da viele Arbitrage-Geschäfte auf Grund der allseits geforderten Markttransparenz leider nicht mehr funktionieren.

Simon Schier, Redvertisment GmbH:
Neben den hier diskutierten Problemen sehe ich u.a folgende Schwierigkeit: Nicht ein einziges Netzwerk schafft es bis heute uns regelmässig persönlich als Top Affiliate darüber zu informieren, wenn neue Kampagnen starten, so dass wir diese bewerben. Das ist wirklich die simpelste Umsatzgewinnungs-Maßnahme der Welt. Statdessen müssen wir auch noch selber anfragen wo wir Umsatz machen „dürfen“ – sorry, vielleicht wurde auch einfach bislang Personal an der falschen Stelle gespart. Ja, und wir würden weit mehr Mehrumsatz bringen als ein solcher Publisher Manager kostet. Und wir sind ja nur einer von X Partnern die in verschiedenen Segmenten wirklich viel Umsatz bringen. Warum das so schwierig ist, keine Ahnung. Stattdessen wird man wie der letzte Lieferant behandelt der morgens die Getränke vorbeibringt – je nach Netzwerk – der quasi froh sein darf, überhaupt was zu machen. Dabei bezahlen wir, neben den Advertisern, deren Jobs. Also, das ganze ist absolut unverständlich – aber die Folgen waren doch schon seit längerem total abzusehen (Stichwort angebliches Wachstum, was nur noch international, wenn überhaupt realisiert wurde). So leid es mir für die Betroffenen tut, so gut – und das bitte wirklich nicht falsch verstehen – finde ich es für den Markt. Ohne finanziellen Druck ändert sich doch einfach nix. Im übrigen kann ich nur bestätigen, dass die CPO Umsätze im allgemeinen stark am wachsen sind, weiterhin. Aber aus guten Gründen eben nicht über die Netzwerke. Vielleicht wacht da ja mal jemand auf und ändert was an der Behandlung der Publisher, welche die Umsätze bringen, anstatt zu versuchen aus der Not heraus die Publisher Geschäftsmodelle (z.B Display) zu kopieren.

Felix Wunderwald, jimango:
Als Publisher meckern dass nich genug für Publisher getan wird und als Merchant eben meckern das nicht genug für Merchants getan wird. Das Netzwerk hat eben doch mehr Aufgaben als nur beide zusammen zu bringen und dann abzukassieren. Diese Aufgaben werden leider (für Publisher und Merchants) sehr selten erledigt.

Adam Opuchlik, Traffective:
Affiliate stirbt in der Form aus – nicht verwunderlich. Was sind die Top Publishermodelle aktuell? Couponing, Cashback und Retargeting. Alles Modelle, die sich am ‚last cookie wins‘ orientieren und auf den Erfolgen anderer Affiliates, welche die Kaufentscheidung mit herbeigeführt haben, aufbauen (bzw. abgreifen). Die Bonusregelungen für Mitarbeiter der Netzwerke und der Advertiser unterstützen diese Problematik on top: Du bekommst einen Bonus wenn Du X Sales ’schaffst‘. Dabei werden hier Sales von Links nach Rechts verschoben, inkrementelles Wachstum Fehlanzeige. Die Netzwerke berichten gerne vom ‚Long Tail‘. Diesen hat höchstens der Office Hund, vor einigen Jahren gab es noch Nischenseiten, welche Sales generieren konnten. Heute finanzieren sich diese Nischenseiten über CPCs und CPMs, warum sollen sie denn einen Kauf vorbereiten und einem Retargeter die Daten über Interessenten zuschachern oder aber den Sale einem Cashbacker oder Coupon-* (* steht für ein Tierchen, Lebensmittel oder sonstigen Begriff ;-)). Mehrwert für den Advertiser – null. Kosten – ja. Ferner auch allgemein die Frage der Fairness. Ich sehe einen Affiliate gleich einem Handelsvertreter. Könnte ein Handelsvertreter tatsächlich nur von lächerlichen 5% Provision auf ein Produkt leben. Was ist mit Folgeprovisionen, wenn der Merchant die CLV der Kunden ‚abschöpft‘?

Die weitere Entwicklung in den nächsten Wochen wird sicherlich spannend werden.

Hierzu möchte ich Euch auch die 37. Ausgabe von Affiliate MusixX empfehlen, welche am 31.01. veröffentlicht wird. Das Thema der Sendung wird sein „Affiliate-Trends 2014„.

Zudem wird aufgrund der aktuellen Situation sicherlich auch der große Trend-Panel auf der Affiliate TactixX am 25.01. in München sehr interessant werden, da dort auch die Vertreter der großen Affiliate-Netzwerke Rede und Antwort stehen.

Wie ist Eure Meinung zur aktuellen Lage im Affiliate-Marketing? Diskutiert mit über die Kommentare.

Eine Zusammenfassung der Kommentare, sowie Verbesserungsvorschläge für die Branche gibt es im weiterführenden Artikel.

Bildquelle: © pauline / Pixelio.de

 

Markus Kellermann
Markus Kellermannhttps://www.affiliateblog.de
Markus Kellermann ist bereits seit 1999 im Online-Marketing tätig und Geschäftsführender Gesellschafter der Digital-Marketing-Agentur xpose360 GmbH mit Sitz in Augsburg. Als Autor hat Markus Kellermann bereits eine Vielzahl von Artikeln in Fachmagazinen publiziert. Zudem organisiert er mit der Affiliate Conference, dem Affiliate Innovation Day und der Influencer Conference drei der bedeutendsten Online-Marketing-Veranstaltungen und betreibt neben dem Affiliate-Portal affiliateBLOG.de auch den Podcast Affiliate MusixX.
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