Ab sofort gibt es unter dem Titel „TACHELES“ einen regelmäßigen Kommentar zur Entwicklung der Affiliate-Branche von unserem Chef-Redakteur Markus Kellermann.
Dabei kommentiert Markus aktuelle Entwicklungen, Trends und Themen in der Affiliate-Branche. Es handelt sich dabei jeweils um seine persönliche Meinung, die auch zu Diskussionen anregen soll und Themen auch einmal kontrovers, kritisch und vielleicht sogar polemisch und überspitzt betrachtet. Ausserdem wird diese Kolumne in Kürze auch bei iTunes und Spotify als Audio-Kommentar veröffentlicht.
Und los gehts direkt mit dem Thema „Tracking und Datenschutz“.
Seit Monaten, eigentlich Jahren, wird in der Affiliate-Branche und noch intensiver unter den Affiliate-Experten nur noch über Datenschutzregelungen wie DSGVO, ePrivacy-Richtlinie, ePrivacy-Verordnung, TTDSG und dem Digital Service Act (DSA) gesprochen. Hinzu kommen immer wieder neue Browsereinschränkungen, die zusätzlich das Tracking weiter erschweren.
Als Apple vor Kurzem angekündigt hat, das Tracking auf iOS-Geräten zukünftig von der expliziten Einwilligung der Nutzer abhängig zu machen, war der Aufschrei in der ganzen Digital-Branche groß, denn ein Großteil der Nutzer dürfte bei der baldigen Einführung des iOS-Updates diese Zustimmung verweigen und weniger Tracking bedeutet in der Folge auch schlechtere Targeting-Qualität bis hin zur fehlenden Sales-Attribution.
Auch Google drängt unter Berufung auf den Datenschutz das Tracking immer weiter zurück, ausserhalb seiner eigenen „Walled Gardens“ wohlgemerkt. Mit der Ankündigung, dass Google künftig nicht nur Third-Party-Cookies im Chrome-Browser blockieren wird, sondern auch keine alternativen Tracking-Lösungen entwickeln oder einsetzen werde, war auch dazu der Aufschrei in der Werbebranche groß. Denn neben den Cookies sollen bei Google zukünftig auch keine sonstigen Identifiert mehr verwendet werden.
Gewinner dieser Entwicklung heißen zukünftig wohl Facebook, Amazon, Google und Apple, welche durch ihre eigenen IDs und Walled Gardens auch künftig die Customer-Journey der Nutzer nachvollziehen können und Unternehmen dadurch womöglich mehr Werbebudget in GAFA investieren, um dort ihre Zielgruppe anzusprechen.
Die Affiliate-Branche ist also mehr denn je gefordert, über Cookie-Alternativen, First-Party-Strategien und Allianzen attraktive Möglichkeiten für adressierbare Werbung ausserhalb der „Walled Gardens“ zu schaffen. Die Affiliate-Netzwerke und -Technologien stehen in der Pflicht sowohl technische Perspektiven anzubieten, aber auch über technische Kooperationen nachzudenken wie z.B. mit der European NetID Foundation, als Enabler für die Gewinnung von First-Party-Daten.
Google z.B. will zukünftig zweigleisig fahren, um auch ausserhalb des eigenen Systems zielgruppenspezifische Werbung vermarkten zu können. Hierzu wurde mit mit FLoC (Federates Learning of Cohorts) ein System entwickelt, bei dem das Surfverhalten der Nutzer nicht über Cookies, sondern vom Browser aufgezeichnet wird. Entsprechend dieser Daten werden die Nutzer in interessenbasierte und anonyme Kohorten eingeordnet, auf die ein Targeting erfolgen kann.
Vielleicht ist es zu weit gesponnen, aber warum kommen solche Ideen nicht auch einmal von Affiliate-Technologie-Anbietern? Durch das Netzwerk von mehreren hundertausend Affiliate-Partnern hätte man eigentlich die Reichweite und das Potential ein ähnliches Kohorten-System zu etablieren, wenn auch nur auf Basis von Zielgruppen und eine Kohortenanalyse ist jetzt auch nichts Übermenschliches.
Auch Criteo, als einer der größten Anbieter von Targeting-Lösungen, stellte vor Kurzem eine zukunftsgerichtete Lösung vor, die ohne Third-Party-Cookies auskommt. Dabei verbindet diese First-Party-Commerce-Daten von Einzelhändlern, Marken und Publishern erstmals in Echtzeit mit kontextbezogenen Signalen, damit auch weiterhin Händler ihre Kunden mit relevantem Markting online erreichen können.
Genau solche Innovationen und Perspektiven fehlen mir derzeit aus der Affiliate-Branche, um Trends auch einmal selbst anzustossen und sich von anderen Anbietern und Kanälen abzuheben. Warum sollte es nicht auch im Affiliate-Marketing möglich sein, ohne Cookies z.b. die Tennisschuhe eines Sporthändlers auf thematischen Sportseiten zu bewerben.
Was man den Netzwerken- und Technologien sicherlich nicht vorwerfen kann ist, dass alle immer relativ schnell auf Browserregulierungen und neue Einschränkungen reagieren und ihre Trackingtechnologien hierzu flexibel angepasst haben. Angefangen von First-Party-Tracking-Cookies, über Subdomain-Tracking, parameterbasiertes Tracking bis hin zu cookielosem Server-to-Server-Tracking gibt es mittlerweile zahlreiche Tracking-Alternativen zum veralteten Third-Party-Cookie-Tracking.
Dennoch beklagen Advertiser und Affiliates eine immer stärkere Abweichung zu ihrer eigenen Datenerhebung, wodurch Sales nicht mehr dem Affiliate-Kanal zugewiesen werden und Affiliates teilweise empfindliche Provisionsverluste zu verzeichnen haben. 61% der Affiliates gaben in der Affiliate-Trend-Umfrage 2021 an, dass ein intransparentes und nicht funktionierendes Tracking das größte Problem in 2021 ist. Im gleichen Atemzug gaben allerdings 55% der Advertiser auch an, noch ein veraltetes Third-Party-Tracking im Einsatz zu haben. D.h. hier widersprechen sich Wunsch und Realität.
Woran liegt es, dass immer noch zu wenig Advertiser die zur Verfügung stehenden Tracking-Alternativen der Netzwerke- und Technologien einsetzen? Eigentlich müsste doch jetzt schon jeder Werbetreibende ein flexibles, aufeinander abgestimmtes Tracking-Setup implementieren, um mit einer übergreifenden Trackinglogik maximal viele Transaktionen zu messen.
Liegt es an der Resistenz gegen Veränderungen? Haben vergangene Erfolge die Unternehmen hochmütig gemacht? Lässt das Tagesgeschäft zu wenig Freiraum für neue Entwicklungen? Gibt es Ressourcenengpässe bei der Implementierung neuer Technologien? Fehlt die Aufklärung der Advertiser hinsichtlich der möglichen Folgen? Verhindert ein Silodenken die Weiterentwicklung des Affiliate-Kanals? Zählen kurzfristige Erfolge mehr als langfristige Strategien?
Man kann also nur Spekulieren was die Gründe für fehlende Innovationen sind. Die XU Horizont School befragte in einer Online-Umfrage vor Kurzem 1541 Fach- und Führungskräfte mit Marketingaufgaben im deutschsprachigen Raum. Das Ergebnis der daraus entstandenen Studie „Marketing Skills 2025“ ist u.a. „Marketing braucht Datenkompetenz“. Von Mitarbeiter:innen im Marketing erwarten die Befragten in Zukunft drei Kernfähigkeiten: Sie sollen Daten analysieren und anwenden, Inhalte erstellen und verbreiten sowie Marketingkanäle erschließen und bespielen können. Das Problem ist allerdings, dass die eigene Kompetenz von den Marketingentscheidern durchaus kritisch gesehen wird. In nahezu allen Kompetenzfeldern sehen die Marketer Nachholdbedarf. Der eigenen Einschätzung zufolge fehlen im Marketing also genau die Skills, die die Marketer als zukunftsentscheidend bewerten.
Ich könnte jetzt auch noch über die großen Defizite der Politiker:innen im Verständnis der Grundlagen digitaler Geschäftsmodelle sprechen, die als Ergebnis zu weiteren Datenschutzregulierungen in Deutschland führen und damit nicht wirklich förderlich für die deutsche Wirtschaft sind und gleichzeitig zur Bevorzugung der GAFA-Unternehmen führen. Aber dazu schreibe ich wohl besser eine extra Kolumne.
Festzuhalten ist also, dass sich Advertiser, Affiliates, Agenturen, Netzwerke und Technologien schnellstmöglichst bewegen müssen. Natürlich werden die Herausforderungen immer aufwändiger und komplexer. Aber Affiliate-Marketing wird sich nur weiterentwickeln können, wenn alle Branchenbeteiligten sich aufraffen, sich umfangreich informieren und sich bewegen.
In diesem Sinne Euer
Markus