Auch im zweiten Teil meiner Kolumne muss es wieder um das Thema Tracking im Affiliate-Marketing gehen. Nicht weil mir das Thema sonderlich viel Spass bereitet, sondern weil es immer wieder gesagt werden muss.
Wer meine Kolumne kennt weiss, dass diese eher visionär ist und zum Teil auch überspitzt zu Diskussionen anregen soll. Doch diese finden nach wie vor nur in Hinterzimmern der sog. Affiliate-Experten statt, anstatt produktiv in der Öffentlichkeit, um damit Themen voranzutreiben.
Und aus diesem Grund geht es auch diesmal wieder um das wichtigste Thema im Affiliate-Marketing, nämlich Tracking und heute speziell um Tracking-Alternativen.
Im Affiliate-Trend-Report 2021 haben sich 50% der Affiliates höhere Provisionen gewünscht, gefolgt von 48% mehr Wertschätzung. Hintergrund dieser Wünsche ist auch, dass sich 57% der Affiliates ein sicheres Tracking wünschen, denn wenn dieses aufgrund von veralteten Third-Party-Tracking-Techniken oder Browserregulierungen nicht mehr gegeben ist, können die Affiliates noch so viel Traffic und Kunden vermitteln. Wenn diese nicht korrekt gemessen werden und die Affiliates für ihre Werbeleistung keine faire Provision erhalten, dann steigt auch die Unzufriedenheit und die Affiliates werden unmotiviert mit solchen Advertisern nicht mehr zusammenarbeiten.
Doch wie reagieren Advertiser und auch Affiliate-Technologie-Anbieter (Public- und Private-Networks) auf die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit?
Dass derzeit die Luft dünner wird zeigt sich u.a. daran, dass acht deutsche Spitzenverbände der Medien-, Internet- und Werbebranche in der vergagenen Woche Beschwerde beim Bundeskartellamt in Bonn eingereicht haben. Hintergrund ist das iOS-Update 14.5, welches nun von jedem Nutzer eine Tracking-Einwilligung einholt, welches aber voraussichtlich von vielen Nutzern abgelehnt werden dürfte. Mit dem Vorwurf, dass Apple dadurch seine Marktmacht missbrauche und gegen Kartellrecht verstosse, versuchen nun die Branchenverbände eine Änderung herbeizuführen, sicherlich auch mit dem Wissen, dass generell die GAFA-Unternehmen durch ihre Walled Gardens einen immensen Wettbewerbsvorteil hinsichtlich personalisierter Werbung haben und dafür auch gar keine Cookies mehr benötigen.
An diesem Beispiel sieht man wieder einmal, dass die Spielräume für websiteübergreifendes Tracking zukünftig immer enger werden. Bereits in der ersten Ausgabe von Tacheles bin ich darauf ja bereits ausführlich eingegangen, daher lest oder hört Euch diese gern nochmals in Ruhe an.
Unabhängig von den bereits bestehenden Tracking-Alternativen, mit denen zumindest die Browserregulierungen derzeit noch umgangen werden können wie First-Party-Tracking, ID-Tracking oder Server-to-Server-Tracking sollte die Affiliate-Branche größer und visionärer denken. Und ich bin mir da gar nicht sicher, ob das an dieser Stelle die Superbrains der Tekkies sein müssen, die wir ohne Zweifel in der Branche haben.
Ich denke da vielmehr an strategisches Denken hinsichtlich Kooperationen und komplett neuer Tracking-Alternativen. Bereits seit zwei Jahren bin ich z.B. mit der netID-Foundation in Kontakt und habe diese auch schon mehrmals als Speaker- und Panelteilnehmer auf die Affiliate Conference eingeladen. Seit zwei Jahren frage ich nach, ob es bereits Gespräche mit Affiliate-Technologien gibt und seit zwei Jahren bekomme ich die selbe Antwort, nämlich dass es vereinzelt schon einmal ein Gespräch gab, aber mehr auch nicht.
Jetzt könnte man verargumentieren und fragen, warum treiben dann einzelne Affiliate-Experten das Thema nicht voran? Das ist vielleicht ganz einfach, weil man für den globalen Einsatz von Trackingalternativen eine Mehrheit benötigt, d.h. eine große Anzahl von Beteiligten, die daran teilnimmt und so eine Mehrheit hat z.B. ein Affiliate-Netzwerk, welches wie der Namen schon sagt als Netzwerk eine Vielzahl von Affiliate-Seiten betreut und für diese auch das Tracking zur Verfügung stellt. Was auch die wichtigste Aufgabe eines Netzwerks sein sollte, nämlich die Vergütung von Provisionen zu gewährleisten.
Bereits einen Vorsprung vor der Affiliate-Branche hat die Ad Alliance, also eine Art Netzwerk für gattungsübergreifende Vermarkter. Denn diese stellen bereits First-Party und Inventardaten in den Vordergrund und stellen ihren Partnern stabile Identifier wie Log-in-IDs zur Verfügung. Auch der Vermarkter Pro Sieben Sat 1 bietet mit seinem Registrierungstool 7Pass bereits Log-in-Daten zur Verfügung. Bereits über 7 Millionen Nutzer haben sich bereits über 7Pass registriert und der Pool wird ergänzt durch Log-in-Profile des Adtech-Dienstleisters The Adex, Otto und Stöer.
Wer in diesem Bereich auch schon sehr weit ist sind die Online-Anbieter in der Schweiz, einem Land bei dem sich Deutschland noch einiges abschauen kann. Das dort reichweitenstärkste Portal www.20min.ch hat vor Kurzem eine neue Member-Plattform gestartet. Der Vorteil für die registrierten Mitglieder ist die Teilnahme an Wettbewerben, Rabattangeboten, exklusiven Inhalten und Kommentarfunktionen, denn wir brauchen uns nichts vormachen, es ist sicherlich nicht einfach den Nutzer zur Registrierung zu begeistern. Also muss man es ihm z.B. durch solche Vorteile schmackhaft machen.
20min.ch ist dabei auch Mitglied der Schweizer Digitalallianz TX Group, zu der auch weitere Medienhäuser wie CH Media, NZZ, Ringier, SRG uvw. gehören und alle verwenden mittlerweile ein gemeinsames Single Sing-on (SSO). Alleine bei den Ringier-Titeln haben sich inzwischen 700.000 Nutzer:innen registriert, das sind immerhin 20% der monatlich aktiven Nutzer.
Der Vorteil einer Nutzer-Registrierung für das Portal liegt natürlich auf der Hand. Durch die aktive Anmeldung können den Nutzer:innen zukünftig auch Werbung ausgespielt werden ohne Cookies, denn man hat zum einen das Werbeeinverständnis der Nutzer:innen und zum anderen kennt man seine Interessen und kann demensprechend Werbung ausspielen. Vorausgesetzt die Nutzer:in nennt seine Interessen oder nimmt entsprechend interessensbasiert immer mal wieder an bestimmten Umfragen oder Gewinnspielen teil.
Daher möchte ich an dieser Stelle gerne nochmals an alle Beteiligten appellieren sich an der Diskussion über neue Trackingmodelle zu beteiligen. Natürlich ist die Einführung beispielsweise eines Login-Systems ein gewalter Eingriff in die Website und auch technisch erst einmal mit einem Aufwand verbunden. Zudem braucht es viel Fantasie und Ideen wieso sich ein Nutzer:in auf einer Affiliate-Seite für ein Login-System registrieren sollte. Aber desto mehr Affiliates und Advertiser an so einem System teilnehmen würden, desto mehr Vorteile könnte man auch generieren, um den Nutzer:innen die Anmeldung schmackhaft zu machen.
Wie auch immer: Perspektivisch brauchen wir neue Ansätze, neue Ideen und viel Mut Dinge anzupacken und auszuprobieren. Falls Euch diese Sichtweise interessiert, hört Euch gerne auch meinen Vortrag auf dem Awin ThinkTank am 14.06.2021 an.
Ich freue mich auf Euch und auf Euer Feedback zu diesem Thema.
Schöne Grüße
Euer Markus