Immer mehr Menschen verfolgen aufmerksam alles, was mit der Enthüllungsplattform Wikileaks zu tun hat und weit über die Hälfte dieser Interessierten findet das richtig, was Wikileaks tut. Auch viele der großen Zeitungen überlegen jetzt auf den Zug aufzuspringen und selbst von den Enthüllungen zu profitieren, die Wikileaks und ähnliche Whistleblower Portale an die breite Öffentlichkeit bringen. In vielen Redaktionen wird mehr oder weniger offen darüber diskutiert, ob man in Zukunft mit anonymen Quellen und elektronischen Postfächern arbeiten soll. Einige der großen Verlage haben sich dafür entschieden, einige überlegen noch und nur einer hat kategorisch nein gesagt, zumindest bis auf Weiteres. Dieses geht aus einem Artikel des W&V hervor.
Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung war eine der ersten Redaktionen, die sich offen dazu bekannt hat, mit Openleaks, einer ähnlichen Plattform wie Wikileaks, zusammenzuarbeiten. Für die Redakteure hat diese neue Form von investigativem Journalismus nichts mit dem momentanen Zeitgeist zu tun, sondern einfach mit der Tatsache, dass es immer mehr mündige Bürger und damit auch Leser gibt, denen man so manche Wahrheit nicht einfach verschweigen darf. In der Redaktion der Süddeutschen sind mittlerweile zwei ehemalige Mitarbeiter von Wikileaks beschäftigt.
Auch die WAZ Gruppe hat bereits ein elektronisches Postfach für Informationen der verschiedenen Whistleblower Portale eingerichtet, aber hier wie auch in anderen Redaktionen, stellt sich die Frage nach den Kapazitäten. Denn nicht jede Zeitung kann beliebig viele Mitarbeiter freistellen, die ohne zeitlichen Druck das vertrauliche Material sichten und auswerten. In den USA gibt es inzwischen Redaktionen, die 50 Leute mit dieser Arbeit betraut haben. Es gibt aber auch viele Redakteure, die gerne die Quellen wissen wollen, aus denen sie schöpfen können und sie stehen der neuen Form des Enthüllungsjournalismus noch mit einiger Skepsis gegenüber.
Die „Welt“ kann es sich zurzeit durchaus vorstellen, mit Wikileaks oder ähnlichen Portalen zusammenzuarbeiten, überlegt aber noch, in welcher Form das geschehen könnte. Auch die Redakteure des „Stern“ sind nicht gänzlich abgeneigt, lassen sich aber noch Bedenkzeit. Der „Focus“ möchte sich momentan gar nicht zu diesem Thema äußern und der „Spiegel“ hat von vorneherein zu verstehen gegeben, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt Wikileaks und ähnliche Plattformen kein Thema sind.
Man wird den Eindruck nicht los, dass alle gerne mit geleaktem Material arbeiten wollen, aber keiner so recht weiß, wie er das anstellen soll. Enthüllungsjournalismus ist nichts Neues und es hat immer schon Journalisten gegeben, die ihre Informationen aus geheimen Quellen bekommen und dann veröffentlich haben, aber viele Redakteure, besonders in Deutschland, sind sich auch über die Brisanz des Materials im Klaren, das Wikileaks und andere Plattformen ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Und vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass noch so viele zögern, sich auf diesen neuen und spannenden Trend einzulassen. Der Leser, der sich für Wikileaks interessiert, der wird sich aber auch für das interessieren, was in der Zeitung steht und das könnte für einige Redaktionen ein Grund sein, noch einmal umzudenken.
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